Gedenkstättenfahrt nach Krakau 2023
Es wird immer einen Stift geben, um die Zukunft zu schreiben. Aber es wird nie einen Radiergummi geben, um die Vergangenheit auszuradieren!
Wie viele Klassen über uns, ist auch unser Jahrgang in der zweiten Woche des neuen Schuljahres zur Gedenkstättenfahrt nach Krakau gefahren. An unserem ersten Tag in Krakau war noch nichts geplant. Jeder war froh, in Ruhe seine Taschen auszupacken, sich etwas zu essen in der Stadt zu besorgen und den restlichen Abend zu genießen.
Am Dienstag wurden wir aktiver. Unsere Stadtführung begann kurz nach zehn Uhr, der Schwerpunkt des Tages lag auf dem Thema: jüdisches Leben in Krakau. So besichtigten wir zu einem großen Teil das jüdische Viertel in Krakau und insbesondere eine aktive Synagoge aus dem 16. Jahrhundert, die Remuh-Synagoge, und den angrenzenden Friedhof. Auch heute ist die Zerstörung der Synagoge, die zur Zeit der Nazis als Leichenhalle fungierte, an den kahlen Wänden sichtbar, die einst von vielen Gemälden beschmückt war. Auch der Friedhof wies einige Folgen des Zweiten Weltkriegs auf, der er zu einem großen Teil zerstört und als Mülldeponie genutzt wurde. Durch diese Delikte sind auch dreißig Jahre später nicht alle Grabsteine mehr an ihrem eigentlichen Platz oder mussten zusammengeklebt werden. Andere Grabsteine waren nicht mehr zu retten. Die Teile, die wiederzufinden waren, klebten nun an der Mauer, die den Friedhof umgab, als Zeichen für das kaputte Leben der Juden nach dem Krieg. Doch ist uns beim Betreten des jüdischen Friedhofes ein weiterer Unterschied zu den Friedhöfen, die wir kennen, aufgefallen. Anstatt der ordentlichen Wege, des gemähten Rasens und den mit bunten Blumen geschmückten Gräbern, wie wir es sonst kannten, fanden wir Steine und Unkraut. Der Friedhof sah verlassen und menschenleer aus. Aber auch das wurde uns erklärt. Die Steine seien ein Zeichen der Ewigkeit. Blumen verwelken, sie seien ein Symbol für das sterbliche Leben auf der Erde. Der jüdische Glaube besagt allerdings, dass das Leben nach dem Tod weitergehe. Das Unkraut komme daher, dass der Friedhof ein Haus der Gestorbenen sei. Es sei ein Ort der Ruhe. Dort sollen die Lebendigen so wenig verändern wie möglich. Danach besuchten wir eine andere Synagoge. Diese gibt es seit dem 15. Jahrhundert und wurde im Zweiten Weltkrieg geplündert und bis auf ihre Grundwände zerstört. Heute ist sie nur noch als Museum aktiv. Unsere letzte Station der Stadtbesichtigung war eine Burg auf dem Wawel, einem hohen Hügel aus Kalkfelsen im Zentrum von Krakau, in der alle polnischen Könige gekrönt wurden, gelebt haben und begraben sind. Dort angekommen konnte jeder für sich entscheiden, ob er sich die Burg noch mit anschaut oder selbstständig zurück zu unserem Hostel geht.
Das Schindler Museum war das Ziel für unseren dritten Tag in Krakau. Dieses durften wir selbstständig und ohne eine Führung besichtigen, sodass wir bei einzelnen Räumen länger bleiben und uns alles genauer anschauen konnten. Dort haben wir viele Eindrücke in das Leben von damals, einzelnen Situationen und Gefühlen vermittelt bekommen. Einige erschreckende Bilder, Tagebucheinträge und Eindrücke sind uns dabei nicht erspart geblieben. Das hat uns die Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Herrschaft von der NSDAP allerdings ein wenig besser verstehen und begreifen lassen. Am überwältigsten war ein Bericht, in dem einige Männer ihre Gräber graben mussten, in dem Wissen, dass es die eigenen waren. Auch hat uns ein Raum mit zahlreichen bruchstückhaften Zitaten mitgenommen, die ohne Vorgeschichte oder Erklärungen an den Wänden standen. Man kannte diese Menschen nicht, wusste nicht, wer sie waren oder was genau passiert ist. Und dennoch hat man mit diesen Menschen mitgefühlt, als ob man sie ein Leben lang kennen würde. Das Schindler Museum ist zu empfehlen, da man viele neue Eindrücke bekommt und das gesamte Museum kreativ und sehr abwechslungsreich gestaltet ist.
Nach eineinhalb Stunden Busfahrt kamen wir am Donnerstag bei dem Konzentrationslager an. Ziel war erst das Stammlager von Auschwitz und danach Auschwitz-Birkenau, eines der Außenlager von ganz Auschwitz. Außerdem war Auschwitz das einzige Konzentrations- und Vernichtungslager zugleich. So wurden die nichtjüdischen Häftlinge durch schwere und harte Arbeit zum Tod gebracht, während die Juden gleich nach ihrer Ankunft in die Gaskammern geschickt wurden. Nach einiger Zeit wurden alle Inhaftierten nacheinander vernichtet. In dem Stammlager von Auschwitz gab es in der ganzen Zeit insgesamt 1,3 Millionen Juden und andere Häftlinge. Auschwitz mit all seinen Außenlagern war eines der größten Konzentrationslager auf der Welt. Insgesamt wurden dort 1,1 Millionen Menschen umgebracht. Das sind fast alle Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern, das 2022 knapp 1,3 Millionen Einwohner zählte. Anders als das Museum haben wir Auschwitz mit einer sehr lehrreichen Führung besichtigt, in der uns alle wichtigen Informationen mitgeteilt und unsere Fragen beantwortet wurden. In einzelnen Räumen hatte jeder auch Zeit, um für sich und ohne Kommentare die verschiedenen Räume und Überbleibsel zu betrachten und so einen tieferen Eindruck von dem Leben damals in den Konzentrationslagern zu bekommen. So sahen wir unter anderem den bekannten Schriftzug „Arbeit macht frei“, riesige Schuh- und Kofferberge; alte Fotos einzelner Inhaftierten; eine Urne, in der die gefundene Asche der Verstorbenen von Auschwitz als Zeichen im Konzentrationslager ausgestellt wurde; und eine der Gaskammern, dessen Grundmauern bis heute stehen geblieben sind. Die Öfen wurden für die Führung nachgebaut, mitunter aus alten Teilen aus der Zeit der Konzentrationslager. Um 16:30 Uhr war unsere erste Führung zu Ende und es ging mit dem Bus zurück nach Auschwitz Birkenau, das drei Kilometer von dem Stammlager entfernt und etwa zwanzigmal so groß war. Auch hier wurden wir durch das riesige Lager geführt. In dem Außenlager konnten wir einen Waggon von damals; die eingestürzten Gaskammern, die die Deutschen, um die Beweise zu vernichten, zerbombt hatten; einzelne Baracken von innen und die Aschegruben besichtigen, die heutzutage nur noch grüne, sumpfige Teiche sind. Am krassesten, denn ein anderes Wort trifft es nicht besser, waren die Geschichten einzelner Personen. Denn das Große und Ganze, die Menge, das kann man nicht begreifen. Nicht einmal, wenn man genau dort steht. Wem gehörte dieser rote Schuh, der sich dort von den unzähligen braunen abhob? Wer trug dieses weiße Kinderhemd? Wer hat diesen Namen auf den dunkelbraunen Lederkoffer mit weißer Farbe geschrieben, in der Hoffnung, ihn und seine Wertsachen wiederzubekommen und dass am Ende doch alles gut werden würde? Wer stand genau hier, wo ich in diesem Moment stehe? Wer lag auf diesem Holzgestell, Nacht für Nacht, das ich mit meiner Hand hätte berühren können? Wer wurde dort in diesen Waggon geschickt, in dem er eingeengt mehrere Tage verbringen musste, ahnungslos, nur um in der Hölle wieder auszusteigen? Wer waren all diese Leute? Manche haben wir gesehen, auf Fotos. Eine letzte Erinnerung an die, die dort ihr Leben ließen. Dort, wo wir standen.
Lerne aus den Fehlern der Vergangenheit für die Taten der Gegenwart und die Entscheidungen der Zukunft! Denn: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ (August Bebel)
Ein Bericht von Valeria P. und Emelie M. (leicht gekürzt)